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ZEIT












       Kaum etwas ist so abstrakt und kann so viel: Zeit. Sie ist weder

       greif- noch fassbar, heilt aber Wunden, hinterlässt Spuren, setzt Zeichen.
       Ein Versuch, die Zeit festzunageln – mithilfe eines fernen Forschers und

       einem von gleich um die Ecke, der Uhren macht. Texte: Lucas Huber; Bilder: Florian Moritz





       Nach der Erfindung des Rades, ist      Jeder hat ein eigenes Bild             Sagt Zeitforscher Geissler. Vielleicht
       Karlheinz Geissler überzeugt, ist      von der Zeit                           hilft da Martin Althaus. Er ist 39 und
       jene der Uhr die folgenreichste für die   Zeit macht Ordnung, strukturiert – und   kreiert Uhren. Bei ihm ist eine Sekunde
       Menschheit: «Sie hat uns eine völlig   ist trotzdem zeitlos. «Zeit ist ein Rätsel.   eine Sekunde, komme, was wolle.
       neue Form des Wirtschaftens ermög-     Es gibt darauf tausend Antworten, aber   Trotzdem weichen die Uhren, die er in
       licht.» Geissler, Universitätsprofessor   keine, die für alle gültig ist. Jeder macht   Hölstein konstruiert und fertigt, durch-
       und Kapazität in Sachen Zeit,  beschäftigt   sich sein eigenes Bild von der Zeit.»    schnittlich zwei Sekunden ab. Was
       sich seit über 30 Jahren mit der Zeit.
       Seither trägt er keine Uhr mehr.
           Aus der Zeit gefallen ist er damit                                                                                 zVg
       ganz und gar nicht. Referenten, wenn
       sie ihre Vorträge halten, legen ihre Uhr
       beiseite. Zeit ist zwar wertvoll und
       sprichwörtlich Geld, doch keinem der
       Zuhörer soll das Gefühl vermittelt
       werden, der Sprechende hätte noch etwas
       Wichtigeres vor und schaue darum
       ständig auf die Zeit.
           Die Zeit schaut ganz gut allein zu
       sich. Sie schreitet unentwegt voran,
       stoisch, unbeirrbar. Sie ist das Mass,
       nach dem sich unser Leben richtet,
       Jahre, Wochen, Minuten, getaktet durch
       die kosmischen Rhythmen, durch die
       Rotation der Erde und deren elliptischen
       Lauf um die Sonne. Sie definiert, wann
       wir aufstehen, arbeiten, essen, feiern,
       schlafen. Man spricht von der inneren
       Uhr und meint vielleicht eben doch den
       Wecker, dem man sich unterwirft?
       Geissler sagt: «Man müsste sich mehr
       nach dem eigenen Leistungspotenzial       Karlheinz Geissler,
                                                   Zeitforscher seit
       richten.» Doch wie ist das möglich in     30 Jahren, lehrt an
       einer Gesellschaft, die von der Spiel-    der Universität der
       gruppe an auf feste Zeiten pocht?            Bundeswehr in
                                                        München.


                                                                                                   LiMa Juli – August 2016  – 13 –
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