Page 22 - LiMa September/Oktober 2016
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AUFGEF ALLEN
Da unten irgendwo
Im Untergrund tanzt der Bär. Durch
Kanalisationen schiesst, was wir durch
unsere Abflüsse schwemmen, in Kellern
schlummert nicht nur die Haustechnik,
sondern auch Staub, Spinnweben und 2
selten Benutztes, bisweilen Vergessenes,
Vorräte, Lagerbares für die Küche.
Eingegrabene Tanks fassen tausende Liter
Heizöl, Luftschutzräume harren dem
Ernstfall, Tiefgaragen schlucken Fahrzeuge
und spucken sie unversehens wieder aus.
Erdgaspipelines überrücken ganze
Kontinente, das meiste Geld der Welt
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lagert unterirdisch, und so auch das Gold:
Im berühmten Tresor der Federal Bank of 1 Gewusst wo: Ein 10-minütiger Fussmarsch führt vom Chilchzimmersattel zum Bunker der
Pfadi Liestal. 2 1929 bauten die Pfadfinder eine Konrad Peter-Türe in den offenen Geschütz-
New York, 26 Meter unter dem Meeres unterstand ein. Foto vermutlich von Theo Strübin. 3 Gemütlich wird es erst, wenn das Holz in
spiel und grösste Goldreserve weltweit, den Öfen knistert.
türmen sich 8’000 Tonnen Gold in Barren.
In den Metropolen rattern UBahnen,
Tunnel verbinden Täler miteinander oder Chromstahltank balancierend. Plötzlich tobte und Wein keine Rolle spielte,
ganze Landstriche, Särge rotten und ihr begann es zu brodeln und Engel schoss schützte sich die Schweiz mit drei
Inhalt, und unter Kirchen modern bisweilen und schäumte Wein entgegen, dass er Bollwerken gegen allenfalls anrückende
die Luke mit aller Kraft zuhielt und von Feindestruppen: die Fortifikationen
ganze Batterien von Gebeinen.
oben bis unten troff wie ein begossener Bellinzona, Murten und Hauenstein.
Pudel. Aber der Wein sei auf gutem Allein letzterer zählte – um den Knoten-
Verborgen für das Auge schichten sich im Weg, erzählt Engel lachend. punkt Olten und das Mittelland vor
Untergrund Schichten aus Gesteinen und Natürlich sieht Thomas Engel in einfallenden Truppen aus dem Nord-
Sedimenten, die Elemente der Welt harren diesen Monaten seine Familie viel zu westen zu schützen, rund 500 Tief- und
hier unten, der Bergbau fördert Gold und selten. «Aber gleichzeitig liebe ich Hochbauten über einen Frontverlauf
Nickel, Kobalt und Platin. Öl sprudelt aus diese Zeit auch. Dafür bin ich Keller- von 48 Kilometern; Schützengräben,
meister, dafür lebe ich.» Mythisch sei Geniedepots, Munitionslager, Reser-
dem Tief und Grundwasser, Wurzeln
der Herbst nämlich, die Zeit, wenn Wein voirs, Militärstrassen, Geschützunter-
durchdringen die Erde, von der bereits
entstehe. Nach drei bis vier Wochen stände, Telefonleitungen, Stallungen,
eine Handvoll mehr Lebewesen beheima haben die Weine ausgegärt. Bis Ende Beobachtungsposten und: Bunker.
tet, als es auf der Erde Menschen gibt. Oktober wurden die Trauben von rund Einer dieser Bunker wird heute
Für den Landwirten ist der Untergrund 90 Weinbauern angeliefert. In den von der Pfadi Liestal betrieben, ein
ebenso wichtig wie die Oberfläche, nächsten Monaten wird Thomas Engel zehnminütiger Fussmarsch führt vom
Archäologen graben nach versteinerten knapp 200’000 Liter Wein abfüllen, Chilchzimmersattel über einen Feldweg
vielleicht etwas weniger, denn gewisse zum ehemaligen Geschützunterstand,
Überresten Jahrmillionen alter Lebewe
Lagen haben Hagel abgekriegt, gewisse zwei Kamine ragen aus dem Waldboden,
sen, und erlischt eine Zivilisation, holt sich
Frost. «Ich bin überzeugt, dass es ein buchenumstanden und ab vom Schuss,
die Erde ihre Tempel und Mauern zurück, guter Jahrgang wird», sagt er. wer sich nicht achtet, geht geradewegs
Augusta Raurica ist dafür bestes Beispiel. daran vorbei.
Und glaubt man der Gläubigen, haust der Pfadi als Bunkerbesitzer Es ist kalt in der Belchen-Bude
Bockbeinige auch da unten irgendwo. Als vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg Thomas Baumgartner, Obmann der
– 22 – LiMa November – Dezember 2016