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Beethoven-Haus Bonn
Pfarrer Josef Otto Widmann und seine Frau Der Flügel aus dem Widmann’schen Pfarrhaus steht heute restauriert im Beethoven-Haus in
Charlotte Widmann-Wimmer. Bleistiftzeich- Bonn und wird an Konzerten gespielt.
nungen von Gujer, 1846.
Beethovens letzter Flügel im
Pfarrhaus zu Liestal
« Josef Otto Widmann, um die Mitte des 19. Jahrhunderts reformierter Pfarrer zu
Liestal und ehemaliger Zisterziensermönch, war verheiratet mit der Wiener Hofbuch-
Schneider,
händlertochter und begabten Pianistin Charlotte Wimmer. Laut einer Familienlegende soll Dr. Hans Rudolf
Ludwig van Beethoven das Klavierspiel der jungen Charlotte sehr gelobt haben. Vater Wimmer Historiker und eh.
Gymnasiallehrer,
kaufte seiner Tochter Beethovens letzten Flügel, den der Wiener Klavierbauer Konrad Graf Präsident des Gönner-
dem Komponisten zur Verfügung gestellt hatte. Der Flügel kam zusammen mit Charlotte 1845 vereins Dichter- und
nach Liestal ins Pfarrhaus. Sie erteilte darauf ihren Kindern ‹Peppi› Josef Viktor und Anna, Stadtmuseum und des-
sen langjähriger Leiter,
aber auch Carl Spitteler und anderen Liestaler Kindern Klavierunterricht. hat die LiMa-Leser-
1853 las Josef Otto Widmann in einer deutschen Zeitung, Kapellmeister Franz Liszt besitze schaft in 5 Ausgaben
den letzten von Beethoven gespielten Flügel. Sogleich verfasste Widmann einen Brief an Liszt: in Trouvaillen aus dem
Dichter- und Stadt-
‹das Clavier, welches Beethoven in seinen letzten Lebensjahren benutzte›, stehe nachweislich museum eingeweiht.
bei ihm und seiner Gattin im Pfarrhaus zu Liestal. Eine Antwort aus Weimar ist nicht bekannt. In der kommenden Aus-
gabe beginnt eine neue
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass beide Männer recht hatten. Neben dem Graf-Instrument Serie Geschichte(n).
stand in Beethovens Schlaf- und Klavierzimmer auch ein Broadwood-Flügel. In Widmanns
Besitz befand sich das Exemplar mit vierchöriger Besaitung für jeden Ton und einem Schall-
aufsatz für den fast tauben Komponisten.
Nach dem Tod des Liestaler Stadtpfarrers 1873 nahm sein Sohn, der Dichter und Journalist
Josef Viktor Widmann den Flügel mit nach Bern in sein Haus am Muristalden. Dort ging auch
Johannes Brahms ein und aus. Er bestaunte das alte Beethovenklavier, hielt es aber ‹nicht
mehr für ernstlich brauchbar.›
Widmann meinte, das Instrumente nähme sich am schönsten aus ‹in einer Beethoven- »
sammlung›. Der Wunsch ging in Erfüllung, heute steht der restaurierte Flügel im Beet-
hoven-Haus in Bonn. Er wird regelmässig an Konzerten gespielt.
Aufgezeichnet von Beatrice Rieder
– 50 – LiMa März – April 2016