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EINKAUFSERLEBNIS
Die Lehrerin Fiona Klein hat schon ihre
eigenen Primarschuljahre mit vielen
«Miteinander, ohne sich Kindern ausländischer Herkunft verbracht.
auszugrenzen»
Fiona Klein lehrt am Liestaler Primarschulhaus Mühlematt einer werden diese Kinder während zwei
1. Klasse das Schreiben und Lesen. Das ist nicht immer einfach Lektionen je Woche in Kleingruppen in
der deutschen Sprache gefördert (DaZ:
in einer Schule, in der drei Viertel der Kinder ausländischer
Deutsch als Zweitsprache, d. Red.).
Herkunft sind. Die grösste Hürde, sagt sie, stelle die Sprache
dar. Wie funktioniert der Klassenzusam-
menhalt über die Kulturen hinweg?
Frau Klein, in welche Kulturen Kulturen kennen. Ich bin überzeugt, dass Während der meisten Zeit sind die Natio-
haben Sie dank Ihrer Arbeit als es für uns alle – mich und die Kinder – nalitäten punkto Freundschaften und
Primarschullehrerin schon Einblick eine Bereicherung ist. Zusammenhalt nicht relevant. Trotzdem
erhalten? gibt es Momente, in denen die Herkunft
Das sind ziemlich viele. Albanien, Wie sieht der Schulalltag aus? Wo der Kinder grosse Bedeutung annimmt,
Mazedonien, Kroatien, Serbien, liegen die grössten Schwierigkeiten? gerade in Sachen Hautfarbe, in Span-
Kosovo, Türkei, Sri Lanka, den ostasia- Grundsätzlich erlebe ich wenig Schwie- nungsfeldern wie etwa dem Konflikt
tischen Raum, Italien, Frankreich, rigkeiten, die auf die kulturellen Unter- zwischen Serbien und dem Kosovo oder
Spanien, Portugal, Paraguay, Deutsch- schiede zurückzuführen sind. Schwierig- schlicht dem Fakt, dass die einen Aus-
land, England fallen mir spontan ein. keiten sind meistens sprachlicher Natur. länder und die anderen Schweizer sind.
Sie liegen im mündlichen Verständnis
Empfinden Sie eine multikulturelle und im Wortschatz. Daher ist es uner- Quasi verlagerte Politik ins Klassen-
Klasse als Bereicherung? lässlich, den Schülerinnen und Schülern zimmer also?
Ja, sehr. Es ist spannend, wie man beizubringen, nachzufragen, wenn sie Es ist klar, dass die Kinder zuhause über
verschiedene Bräuche und Sitten unter- etwas nicht verstehen. Die Entwicklung die Geschichte oder aktuelle Themen
einander kennen und schätzen lernt. Die dieser Kompetenz ist zentraler Bestand- ihrer Kulturen und Heimatländer hören
Kinder entwickeln ein offenes Weltbild, teil der ersten Schul wochen. Sie ist zwar und sprechen. Diese Themen tragen sie
sie lernen ein Miteinander, ohne sich unanhängig von der Nationalität wichtig, hin und wieder in die Schule, wo sie bei
auszugrenzen, bauen Ängste vor dem hat aber gerade bei fremdsprachigen Bedarf in der multikulturellen Gruppe
Fremden ab und lernen unbekannte Kindern besondere Priorität. Ausserdem kindsgerecht behandelt werden müssen.
LiMa September–Oktober 2015 – 25 –