Page 25 - LiMa 47
P. 25

EINKAUFSERLEBNIS




























                                                                                     Die Lehrerin Fiona Klein hat schon ihre
                                                                                     eigenen Primarschuljahre mit vielen
       «Miteinander, ohne sich                                                       Kindern ausländischer Herkunft verbracht.


       auszugrenzen»





       Fiona Klein lehrt am Liestaler Primarschulhaus Mühlematt einer                werden diese Kinder während zwei
       1. Klasse das Schreiben und Lesen. Das ist nicht immer einfach                Lektionen je Woche in Kleingruppen in
                                                                                     der deutschen Sprache gefördert (DaZ:
       in einer Schule, in der drei Viertel der Kinder ausländischer
                                                                                     Deutsch als Zweitsprache, d. Red.).
       Herkunft sind. Die grösste Hürde, sagt sie, stelle die Sprache
       dar.                                                                          Wie funktioniert der Klassenzusam-
                                                                                     menhalt über die Kulturen hinweg?
       Frau Klein, in welche Kulturen         Kulturen kennen. Ich bin überzeugt, dass   Während der meisten Zeit sind die Natio-
       haben Sie dank Ihrer Arbeit als        es für uns alle – mich und die Kinder –   nalitäten punkto Freundschaften und
       Primarschullehrerin schon Einblick     eine Bereicherung ist.                 Zusammenhalt nicht relevant. Trotzdem
       erhalten?                                                                     gibt es Momente, in denen die Herkunft
           Das sind ziemlich viele. Albanien,   Wie sieht der Schulalltag aus? Wo    der Kinder grosse Bedeutung annimmt,
       Mazedonien, Kroatien, Serbien,         liegen die grössten Schwierigkeiten?   gerade in Sachen Hautfarbe, in Span-
       Kosovo, Türkei, Sri Lanka, den ostasia-  Grundsätzlich erlebe ich wenig Schwie-  nungsfeldern wie etwa dem Konflikt
       tischen Raum, Italien, Frankreich,     rigkeiten, die auf die kulturellen Unter-  zwischen Serbien und dem Kosovo oder
       Spanien, Portugal, Paraguay, Deutsch-  schiede zurückzuführen sind. Schwierig-  schlicht dem Fakt, dass die einen Aus-
       land, England fallen mir spontan ein.  keiten sind meistens sprachlicher Natur.   länder und die anderen Schweizer sind.
                                              Sie liegen im mündlichen Verständnis
       Empfinden Sie eine multikulturelle     und im Wortschatz. Daher ist es uner-  Quasi verlagerte Politik ins Klassen-
       Klasse als Bereicherung?               lässlich, den Schülerinnen und Schülern   zimmer also?
           Ja, sehr. Es ist spannend, wie man   beizubringen, nachzufragen, wenn sie   Es ist klar, dass die Kinder zuhause über
       verschiedene Bräuche und Sitten unter-  etwas nicht verstehen. Die Entwicklung   die Geschichte oder aktuelle Themen
       einander kennen und schätzen lernt. Die   dieser Kompetenz ist zentraler Bestand-  ihrer Kulturen und Heimatländer hören
       Kinder entwickeln ein offenes Weltbild,   teil der ersten Schul wochen. Sie ist zwar   und sprechen. Diese Themen tragen sie
       sie lernen ein Miteinander, ohne sich   unanhängig von der Nationalität wichtig,   hin und wieder in die Schule, wo sie bei
       auszugrenzen, bauen Ängste vor dem     hat aber gerade bei fremdsprachigen    Bedarf in der multikulturellen Gruppe
       Fremden ab und lernen unbekannte       Kindern besondere Priorität. Ausserdem   kindsgerecht behandelt werden müssen.


                                                                                              LiMa September–Oktober 2015  – 25 –
   20   21   22   23   24   25   26   27   28   29   30