Page 29 - LiMa September/Oktober 2016
P. 29

zVg
                                                                                         EINKAUFSERLEBNIS
      Marc Angélil, Architekt
           und Jurymitglied:
     «Es gilt, diese Bauten des
     öffentlichen Verkehrs als
       Tore und Adressen von
    Ortschaften zu verstehen.»






















       Vorauf kam es Ihnen beim Liestaler     es geschafft, alle Nutzungen auf best-  Warum ist das Hochhausvolumen
       Bahnhofsprojekt an?                    mögliche Weise zueinander in Beziehung   im hinteren Teil des Platzes vor-
           Folglich stand die Frage im Vorder-  zu setzen. Was schliesslich entsteht    gesehen?
       grund, wie und in welchem Ausmass      oder hoffentlich entstehen wird, ist ein      In den Studien, die vor dem Archi-
       Dichte – gewissermassen als Auftrag    Bauwerk, das Vielfalt in der Einheit    tekturwettbewerb durchgeführt wurden,
       verstanden – als Chance gesehen werden   als Grundprinzip verfolgt.           widmeten sich die Experten in Zusam-
       kann, um Qualität zu schaffen. Wesent-                                        menarbeit mit den Behörden der städte-
       lich in diesem Zusammenhang ist die    Was bedeutet Ihre Aussage, der         baulichen Setzung der Baukörper, deren
       Gestaltung des öffentlichen Raums,     Bahnhof solle sich zurückhalten?       Schattenwurf minimiert werden sollte,
       der in diesem Fall als langgestreckter      Ich bin allgemein der Meinung, dass   um die Aufenthaltsqualität beim Platz zu
       Platz in Erscheinung tritt, mit einer   Architektur zurückhaltend sein sollte   sichern. Somit war klar, dass der An-
       zentralen Zone für den Busverkehr und   und nicht formalen, aufsehenerregenden   spruch auf Dichte im Bereich zwischen
       zwei Aufenthaltsbereichen im östlichen   Spielereien verfällt. Wenn wir heutzuta-  Platz und Geleise kaum erfüllt werden
       und westlichen Teil des Platzes. Breite,   ge von Nachhaltigkeit sprechen, bedeutet   konnte. Man einigte sich stattdessen,
       Länge und Höhe des Raums wurden        dies, dass Architektur – statt sich    die Bausubstanz in einem Hochpunkt zu
       aufeinander abgestimmt, um einen Platz   modischen Trends zu fügen – die Pflicht   konzentrieren, in angemessener Distanz
       zu definieren, der seiner Bedeutung als   hat, langfristige Werte zu ver körpern.   zum historischen Dorfkern. In Modell-
       Ort der Identifikation gerecht wird. Das   Burkard Meyer Architekten haben den   studien wurden Lage, Höhe und Pro-
       war eine wichtige Ausgangslage für     Nachweis erbracht, dass ihre Architektur   portionen des Baukörpers untersucht.
       den kürzlich durchgeführten Architek-  genau diese Forderung erfüllen kann.   Während das Hochhaus alle Kriterien
       turwettbewerb.                                                                des kantonalen Hochhauskonzepts
                                              Gibt es aus Ihrer Sicht Schwächen      erfüllt, wurde auf dessen Fernwirkung
       Das Projekt des Architekturbüros       im Projekt?                            im Umfeld des Tals geachtet – das
       Burkard Meyer Architekten aus              Die Jury hat das Projekt wegen seiner   Hochhaus als neues Merkmal der Stadt
         Baden hat den Wettbewerb gewon-      Stärken ausgewählt. Es liegt nun an der   Liestal innerhalb des Agglomerations-
       nen. Warum?                            Bauträgerschaft und den Behörden, die   raums Basel-Landschaft. Liestal ist
           Die Projektverfasser haben es      Projektqualitäten zu erkennen und dafür   Hauptstadt des Kantons und hat eine
       verstanden, die verschiedenen Bau-     zu sorgen, dass diese kom promisslos um-  wegweisende Aufgabe für die Region
       volumen so zu gestalten, dass eine     gesetzt werden können. Die potentiellen   zu erfüllen. In dieser Rolle verdient
       kontinuierliche und ruhige Platzfront   Schwächen liegen in den Verfahren, die   Liestal nicht nur einen schönen Bahnhof
       entsteht – eine Massnahme, die den     heutzutage einen hohen Grad an Kom-    mit Hochhaus, vielmehr auch einen
       Akzent auf den öffentlichen Raum       plexität aufweisen – man könnte sogar   lebendigen Bahnhofplatz voller Quali-
       legt und weniger auf das eigentliche   von einem hohen Grad an Kompliziert-   täten.
       Gebäude. Zudem haben die Architekten   heit sprechen – und weniger im Projekt.


                                                                                              LiMa September – Oktober 2016  – 29 –
   24   25   26   27   28   29   30   31   32   33   34