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EINKAUFSERLEBNIS
Michèle Voyer aus Montréal hat in Arisdorf
neue Wurzeln geschlagen.
mit ihren vier Kindern, die allesamt
perfekt schweizerdeutsch sprechen. Die
Eingewöhnungszeit empfanden sie als
unkompliziert, «nur an die hohen Preise
mussten wir uns gewöhnen.» Und
gewisse sprachliche Finessen. Wie das
«Laufen», das hier «Springe» heisst.
Auf die Frage, was sie am meisten
vermisse fernab der Heimat, schiesst es
aus Monika heraus: «das Brot! Alle
Besucher aus Österreich müssen uns
Brot mitbringen.» Aber das sei immerhin
einfacher als damals in Südkorea.
Syrien – Italien – Schweiz
Was früher der Gastarbeiter war, der
Italiener, Spanier, Portugiese, Türke, der
unsere Strassen baute und unsere
Tunnels bohrte, ist heute der Expat, der
Auswanderer. Ingenieure aus Asien,
Ärzte aus Deutschland, Manager aus
Nordamerika. Andere kommen aus Not
in die Schweiz, flüchten, weil man ihnen
nach dem Leben trachtet. Wie in Syrien.
Weil ein blutiges Regime herrscht. Wie
in Sri Lanka. Oder weil sie in ihrem
Land keine Chance haben, dem Moloch
der Armut zu entrinnen. Wie im Sudan.
Darum vertrauen sie ihre Leben
skrupellosen Schleppern an, setzen in
kaum seetüchtigen Nussschalen übers
Mittelmeer und kommen in ein Europa,
das überfordert ist ob ihrer Vielzahl. einer der gefährlichsten Städte der Welt Österreich – Nusshof. Die Landauers sind
Politik und Öffentlichkeit auf dem zu holen, beschreibt er sein Leben als eine quirlige Familie: Ines, Lea, Laurenz,
ganzen Kontinent haben noch keinen durch und durch sinnerfüllt. Sophie, Monika und Mira (v.l.).
Weg gefunden, den Flüchtlingswellen Ort des Geschehens ist das «El
Herr zu werden – und den Menschen Refugio» in San Pedro Sula, Honduras,
neue Heimat zu geben. die Stadt, die in den vergangenen Jahren
konstant zur gefährlichsten der Welt Legende
Honduras – Schweiz – Honduras erkoren wurde. Das «El Refugio» ist ein
Diese neue Heimat hat Christof Wittwer, Heim für rund 80 Mädchen und Buben,
45 und gelernter Kaufmann, in Honduras Kinder und Waisen, die Opfer von
gefunden. Nicht, dass sein Leben vorher Gewalt wurden, Hunger litten, ohne
keinen Sinn ergeben hätte. Doch seit Obdach waren.
Christof Wittwer von Bubendorf ausge- Ihnen ist es nicht nur Refugium,
zogen ist, um Kinder von den Strassen nicht nur Bett und Dach und warme
LiMa September–Oktober 2015 – 15 –