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W APPEN UND F AHNEN
                                                                                           Zwei fundierte Kenner der Wappenkunde:
                                                                                      Günter Mattern mit Markus Hefti, Präsident der
                                                                                         Schweizerischen Heraldischen Gesellschaft.





       «Ich habe ein Wappen,                                                         aufgefordert, sich Gemeindewappen

       also bin ich»                                                                 zuzulegen.


                                                                                     Auf Wappen prangen Ähren, Adler,
       Der Liestaler Günter Mattern pflegt die Wissenschaft der                      Tannen, Sicheln. Warum zeigen sie,
                                                                                     was sie zeigen?
       Wappen, die Heraldik. Er ist im Vorstand der Schweizerischen
                                                                                        Mattern: Sie wiederspiegeln den
       Heraldischen Gesellschaft, die im Juni ihr 125-jähriges                       eigenen Namen oder den Wohnsitz. Mein

         Bestehen feiert. Präsidiert wird sie vom Fricktaler Markus Reto             eigenes Familienwappen zeigt Rosen für
       Hefti. Ein Gespräch über Ritterhelme, Bärenpenisse und                        die Herkunft meiner Familie, das Elsass,
                                                                                     sowie einen böhmischen Adler, dorthin
         Sibirische Eichhörnchen.                                                    sind meine Ahnen ausgewandert. Die

                                                                                     Menschen konnten zumeist weder lesen
       Günter Mattern: Die Schweiz ist eine   jeder, der etwas auf sich hielt, ein   noch schreiben, also brauchte es Bilder.
       Hochburg der Heraldik                  Wappen zu, frei nach dem Motto:        Der Analphabetismus hat stark zur
                                              Ich habe ein Wappen, also bin ich.     Verbreitung von Wappen beigetragen.
       Markus Reto Hefti: Das stimmt:
       90 Prozent der Schweizer haben ein     Haben Wappen heute noch                Günter Mattern war während 25 Jahren
       Familienwappen, das ist enorm. Zum       annähernd jene Bedeutung,            Chefredaktor der «Archivum Heraldi-
       Vergleich: In Grossbritannien sind es   die sie einst hatten?                 cum», der Zeitschrift der Schweizeri-
       lediglich ein Prozent der Bevölkerung.      Mattern: Nun gut, sie haben keine   schen Heraldischen Gesellschaft. Das
       Wir dürfen uns glücklich schätzen.     rechtliche Funktion mehr, und nicht    machte Liestal zum heraldischen Epizen-
                                              jeder kann damit etwas anfangen. Aber   trum der Schweiz. Mattern entdeckte
       LiMa: Wie kommt das?                   auch heute noch beugen sie Verwechs-   seine Liebe zur Wappenkunde als 14-Jäh-
           Mattern: In der Schweiz gab es     lungen vor und belegen Eigenständigkeit   riger. Er fragte sich: Woher komme ich?
       weder Kaiser noch Könige, die die      und Selbstbewusstsein. Wird ein Gebiet   Und wer waren meine Vorfahren?
       Vergabe von Wappen kontrolliert hätten.   erobert, hissen die Eroberer als erstes
       Also legte sich jede Familie, die etwas   die Fahne um zu zeigen: Hier sind wir.   Gibt es eine Kontrollinstanz, die
       auf sich hielt, ein Wappen zu.         Gerade in Gemeinden spielen Wappen     die Vergabe von Wappen beaufsich-
                                              eine emotional bedeutende Rolle, denken   tigt, oder anders: Sind Wappen
       Wer waren die ersten, die Wappen       Sie nur an die Geistige Landesvertei-  geschützt?
       trugen?                                digung während des 2. Weltkriegs. 1939      Hefti: Familienwappen sind in der
           Mattern: Die Ritter, schätzungsweise   hatte der Bund sämtliche Gemeinden   Schweiz eigentlich rechtlich geschützt
       1150. Die Bewaffnung wurde besser,
       und mit ihnen die Helme der Ritter.
       Plötzlich erkannte man die Gesichter
       seiner Mitstreiter nicht mehr, also
       mussten Zeichen her, um Freund von
       Feind zu unterscheiden. Sie waren
       auf Schilden und Fahnen, auf Waffen-
       röcken und Pferdedecken. Zuerst waren
                                                    Günter Mattern
       Wappen ein Privileg des hohen Adels,    vertieft sich gern und
       doch der niedere Adel und das Bürger-     oft in Fachliteratur
       tum kopierten schnell. Vom 15. bis           rund um seinen
       17. Jahrhundert legte sich praktisch           Arbeitsplatz.

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