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Keine Panik
« AIch hatte gerade ein Kanu ge-
schultert, Nähe Göteborg in Schwe-
den, und war auf dem Weg zum
nächsten See. Dann klingelte das
Telefon, das ich eigentlich gar nicht
dabeihatte und weil offensichtlich
doch, sollte es wenigstens im Flug-
modus darben.
Packende Begegnungen, stille Momente Es kam einiges zusammen,
« Jedes LiMa ist mir im Moment seiner Entstehung das liebste. Das damals, im August 2009, als Bea-
trice Rieder, Herausgeberin dieses
liegt einfach daran, dass ich diese Arbeit liebe. Ich begleite die Magazins, mich 1’500 Kilometer
Fotografin oder den Fotografen zu den Shootings – diese Momente weiter südlich fragte, ob ich einen
sind es, die ich am meisten mag. Nicht nur wegen der packenden Beitrag fürs LiMa schriebe, Thema:
Begegnungen, auch weil es so lebendig ist. die Schweinegrippe. Ich sagte zu.
Darum betrachte ich meine Lieblingsausgabe aus diesem Blickwin- Natürlich. Mein erster LiMa-Titel
kel, und da hat es mir besonders die LiMa-Nummer vom März 2014 lautete «Keine Panik». Seither schrieb
angetan. Sie handelte von Brachen rund um Liestal. Zusammen mit ich über Tätowiererinnen und Höhlen-
Fotograf Guido Schärli besuchte ich die Holdenweid in Hölstein. Die forscher, über Schönheitschirurgen
ehemalige Aussenstation der Psychiatrie Basel in einer Waldlichtung und Kartoffelbauern, die im Zweiter-
lag zu diesem Zeitpunkt seit Jahren ungenutzt. Der stille Weiler in werb Websites programmieren.
seinem geschlossenen Talkessel hatte eine magische Ausstrahlung Ich sprach mit Profiradrennfahrern,
auf mich. Er ist eine der vielen unvergesslichen Entdeckungen, mit Flüchtlingen und einer Prostituierten,
denen mich das LiMa auf jeder Fototour beschenkt. die für unser Gespräch ihren Stan-
Es gibt eine weitere Tour, die mir in besonderer Erinnerung dard-Stundensatz verrechnete und
geblieben ist: Für die November-Ausgabe 2015, deren Schwerpunkt mir danach anbot, «es» nun wenig-
das Sterben war, stand ein Besuch im Krematorium auf dem Pro- stens mit ihr auszuprobieren –
gramm. So etwas, glaube ich, stimmt einen in jedem Fall nachdenk- inklusive.
lich. Ich ging mit dem Wissen aufs «Hörnli», dass sich bald der Ich lernte hinter dem Liestaler
Lebenskreis meiner Schwester schliessen würde und der Abschied Bahnhof bei den Petanque-Spielern,
von ihr bevorstand. Ich zögerte zunächst und beschloss dann, diesem
Schmerz ins Gesicht zu schauen. Ich bereue diese Entscheidung
nicht, denn die Erfahrung des Krematorium-Besuchs gab mir Sicher-
heit. Es gab sogar heitere Momente zwischen Kühlkammern, Sarg-
lager und Ofen, in denen ich lächeln konnte. Das Wissen um die
Vorgänge hatte eine tröstende Wirkung. Das hatte viel mit der
kompetenten Begleitung von Betriebsleiter Bernhard Meister zu
tun. Im Kontext dieser LiMa-Ausgabe über das Sterben lernte ich:
Der Umgang mit dem Tod kann auch heitere Momente beinhalten.»
Monika Neuenschwander ist Produktions-
leiterin des LiMa. Dazu berät und betreut
sie die Inserenten.
– 14 – LiMa Mai – Juni 2017