Page 22 - LiMa September/Oktober 2016
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ST ADT IM AUFBRUCH
«Wir brauchen auch mehr Leute,
um unsere Zentrumsfunktion
schultern zu können.»
Liestal ist in Bewegung und es wird geplant und gebaut wie kaum je zuvor. Wohin
die Entwicklung gehen soll, welche Strategie dahinter steckt, was die Politik für den
kriselnden Detailhandel tun kann, wieso sich die Stadträte über Liestals Grenzen hinaus
engagieren, ob Steuersenkungen zu erwarten sind – darüber und über einiges mehr
gibt Stadtpräsident Lukas Ott im grossen Interview mit dem LiMa Auskunft.
Text: Andreas Hirsbrunner
LiMa: Herr Ott, in der Vergangen- schaffen und unser Steuersubstrat Das heisst, es kommen täglich 10’000
heit war der Dampfer Liestal eher aufzuwerten. Wir wollen auch nach dem Pendler von ausserhalb Liestals hierher,
gemächlich unterwegs. Seit Sie Abgang der Pädagogischen Fachhoch- zwei Drittel davon mit dem Auto. Das ist
Kapitän sind, rast er schon fast schule voraussichtlich im Jahr 2019 für etliche Quartiere eine Belastung und
in Rennboot-Manier in die Zukunft. Hochschulstandort bleiben und unsere Hinweis dafür, dass wir zuwenig Wohn-
Wohin geht die Reise oder anders hier ansässigen Unternehmen pflegen raum in Liestal haben. Um Ressourcen
gefragt: Wie sieht die Strate- sowie neue ansiedeln. Neben der bau- zu schonen, müssen wir deshalb mehr
gie aus, die hinter dem rasanten lichen wollen wir aber auch die soziale Wohnraum anbieten. Ich rechne damit,
Wachstum steht? Infrastruktur weiterbringen und zum dass aufgrund der rund 30 Quartier-
Lukas Ott: Ich will zuerst etwas Beispiel attraktiv sein beim familien- pläne, die derzeit in Planung, bereits
Grundsätzliches zum Thema Strategie ergänzenden Betreuungsangebot. genehmigt oder schon im Bau sind, in
sagen: Die Anforderungen an eine den nächsten fünf bis acht Jahren 1’250
moderne, lebenswerte Stadt sind sehr Können Sie das angestrebte Wachs- neue Wohneinheiten entstehen, was
vielfältig, deshalb braucht es strate- tum bezüglich Einwohnern und etwa 2’500 zusätzlichen Einwohnern
gisches Denken. Das hatten wir schon Arbeitsplätzen in Zahlen fassen? entspricht.
vor der Zeit, als ich das Präsidium Liestal ist neben Muttenz der
übernommen habe, intensiviert und der bedeutendste Beschäftigungsstandort im Eine Zahl, die von Liestaler
Entwicklungs- und Finanzplan hat Kanton. In Zahlen heisst das, dass Politikern auch schon angezweifelt
einen zentralen Stellenwert als rollendes Liestal derzeit rund 16’000 Beschäftigte wurde.
Planungsinstrument erhalten. Zu unsern hat. Dank grossen Playern wie dem Ich gehe davon aus, dass die Inve-
wichtigsten strategischen Handlungs- Kantonsspital und der Psychiatrie, aber storen das Potenzial von Liestal gut
feldern gehören die Zentrumsentwick- auch kommerziellen Dienstleistungs- abgeklärt haben und diese Leute auch
lung rund um den Bahnhof inklusive betrieben und Produktionsfirmen sind tatsächlich kommen. Das ist auch
Postareal und Allee, die Masterplanung wir in einer dynamischen Wachstums- wichtig fürs Steuersubstrat. Denn Liestal
an der Rheinstrasse zusammen mit dem phase. Auf der andern Seite haben wir hat in verschiedensten Bereichen von der
Kanton, wo es um die brachliegenden 14’000 Einwohner und damit ein in der Bildung über Soziales bis zum Verkehr
Flächen in Kantonsbesitz geht, und die Schweiz einmaliges Verhältnis von eine ausgeprägte Zentrumsfunktion, die
Entwicklung der Rathausstrasse. Im 1,2 Beschäftigten pro Einwohner. Dies unsere Steuerzahler schultern müssen.
weitern wollen wir verschiedene Areale mit der Folge, dass wir einen grossen Und dafür sind wir einfach zu wenig
voranbringen, um mehr Wohnraum zu Anteil der Arbeitskraft importieren. Leute hier, weshalb wir im Vergleich
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